Papst Gregor XI.

Avignon und Papst Gregor XI., Bildkomposition (Foto Mayr)

 

Die Briefe im Überblick

Der erste uns erhaltene Brief an Papst Gregor stammt vom Beginn des Jahres 1376. Allerdings macht Caterina bereits im Frühjahr 1374 in einem Schreiben an Bartolomeo Dominici und Tommaso Caffarini (Brief 127) die Bemerkung: „Ich habe einen Brief an den Heiligen Vater geschrieben und abgesandt mit der Bitte, dass er uns aus Liebe zu diesem süßesten Blut die Erlaubnis geben möge, unsere Leiber jeglicher Art von Qualen hinzugeben.“ Dieser wahrscheinlich erste Papstbrief existiert aber nicht mehr.

 

Von den vorliegenden 14 Briefen an Gregor XI. schrieb Caterina:

4 Briefe aus Siena und Florenz nach Avignon,

6 Briefe aus ihrem Quartier in Avignon an den Papst in seinem dortigen Palast,

1 Brief aus Siena nach Corneto,

3 Briefe aus Siena bzw. Belcaro nach Rom.

 

4 Briefe aus Siena und Florenz nach Avignon (Januar 1376 – Mai 1376)

Kommt! Kommt!

Brief 185 (Januar 1376). Caterinas Ruf ist bereits bis nach Avignon gedrungen. Nach ihrer Rückkehr aus Pisa und Lucca schreibt sie aus Siena an den Papst. Sie sorgt sich um ihre Kreuzzugspläne wegen des beginnenden Krieges. Ihre Sicht ist klar: Ohne Rückkehr des Papstes keine Reform. Ohne Reform kein Ende der Legaten-Misswirtschaft und daher kein Friede. Ein leiser Tadel bezüglich der letzten Kardinalsernennungen vom 20. Dezember 1375 (von 9 Kardinälen waren 7 Franzosen, davon bevorzugt Verwandte des Papstes). Die Städte Pisa und Lucca könnten noch abgehalten werden, dem antipäpstlichen Bund beizutreten.

Friede, Friede, Friede!

Brief 196 (Februar 1376). Nach dem 1. Mahnbrief Caterinas hat sich der Papst persönlich um die italienischen Angelegenheiten bemüht. Auf seine Bitte hin versuchen die Königin von Neapel und der Doge von Venedig zu vermitteln, aber umsonst: Immer mehr Städte greifen gegen die Kirche zu den Waffen, um die päpstliche Besatzung zu vertreiben und sich mit Florenz gegen den Heiligen Stuhl zu verbünden. Aus dieser Situation heraus ist der drängende Ton des Briefes zu verstehen. Der Papst droht mit dem Interdikt. Caterina bittet um Milde für ihre Landsleute.

Die Kirche ist blass geworden

Brief 206 (Ende März 1376). In der Nacht vom 19. – 20. März hat sich auch Bologna gegen den Papst erhoben. Florenz (obwohl treibende Kraft dieses Aufstandes) schickt Raimund von Capua mit Caterinas Wissen nach Avignon, um das drohende Interdikt abzuwenden. Der Brief (Raimund mitgegeben oder nachgeschickt), in dem Caterina er sucht, Gregor möge sich durch Bologna nicht verwirren lassen und sich der geistigen Macht und Größe des Papsttums besinnen, kommt einige Tage zu spät. Im Konsistorium am 31. März wurden die Anführer in Florenz bereits exkommuniziert und über die Stadt das Interdikt verhängt. Dennoch ist dies einer ihrer ergreifendsten Briefe, in dem sie wie ein Kind voll Vertrauen dem Vater ihr Herz ausschüttet und sich ihm offenbart.

Kommt nur mit dem Kreuz!

Brief 229 (Mitte Mai 1376). Der Papst ist entschlossen, im September Avignon zu verlassen und hat sich diesbezüglich offenbar auch bei Caterina erkundigt. Ihre Antwort in diesem Brief: Sie werde selbst bald zu ihm kommen, um ihn zu bestärken, denn die göttliche Güte sei dabei, „die Wölfe in Lämmer zu verwandeln“. Um den Unmut des gläubigen Volkes gegen die Unnachgiebigkeit der Regierung in Florenz abzuschwächen, hatten die verantwortlichen acht Kriegsherren aus taktischen Gründen Caterina zu einer Reise nach Avignon vorgeschoben – und Caterina hatte angenommen. Von Siena kommend, schreibt sie diesen Brief bei ihrem kurzen Zwischenaufenthalt in Florenz. Weil Caterina vermutlich auch erfahren hatte, dass der Papst Söldner nach Italien schicken will, fleht sie ihn an, nicht mit Truppen zu kommen, sondern nur mit dem Kreuz Christi und mit den Waffen der Liebe.

 

6 Briefe in Avignon geschrieben (Juni 1376 – Anfang Sept. 1376)

Gehorcht dem Willen Gottes!

Brief 255 (18. – 20. Juni 1376). Caterina erreicht mit ihren Begleitern nach etwa dreiwöchiger Reise Avignon am 18. Juni 1376, wo sie bereits von Raimund von Capua, Felice da Massa, Giovanni Tantucci und Neri di Landoccio erwartet wird. In diesem Brief – der vielleicht un­mittelbar nach ihrer Ankunft dem Papst überbracht wurde – erklärt sie ihr Anliegen. Bereits zwei Tage nach ihrer Ankunft bekommt sie eine Audienz beim Papst, Raimund ist als Dolmetscher dabei. Gregors Worte an Caterina sind gleichsam das Resultat dieser Unterredung: „Damit du klar siehst, dass ich den Frieden will, gebe ich ihn vollkommen in deine Hände, aber ich lege dir die Ehre der Kirche ans Herz“ (Legenda Maior 419).

Ihr habt die Schlüssel

Brief 218 (28. Juni – 5. Juli 1376). Wir wissen nicht, wie oft Caterina während ihres drei­monatigen Aufenthaltes in Avignon Gregor XI. tatsächlich getroffen hat. Jedenfalls schickte sie von ihrem Quartier aus, mehrere Briefe in den päpstlichen Palast. Den vorliegenden Brief mit der Bemerkung, sie den Inhalt des Briefes lieber persönlich gesagt, ließ sie dem Papst durch Neri di Landoccio überbringen.

Vertraut auf Christus!

Brief 233 (um den 14. August 1376). Eine erneute Ermutigung zur Rückkehr nach Rom. Der Bitte des Papstes, für ihn zu beten, kommt sie gerne nach. Es ist dies wahrscheinlich jenes von ihren Begleitern mitgeschriebene Gebet, das am Vorabend des 15. August in Avignon entstanden ist (Gebet 1).

Gebraucht eine heilige List!

Brief 231 (Mitte August 1376). Mit großer Energie befasst sich Caterina mit den Hindernissen, die der Rückkehr des Papstes im Wege stehen: „Ich erfuhr aus Eurem Schreiben ..., dass die Kardinäle behaupten ...“ Nach der Randbemerkung einer Handschrift wäre dieser Brief die Antwort auf eine Anfrage des Papstes, worauf sie ihn mit diesem kurzen Brief neuerlich ermutigt und bestärkt.

Vertreibt die Laster!

Brief 238 (Anfang September 1376). Nun scheint es, dass die Entscheidung des Papstes, nach Rom zurückzukehren, endgültig ist. Der Tag der Abreise ist bereits festgelegt. Damit kommt Caterina auch auf ihre anderen Anliegen zu sprechen: auf die Reform der Kirche und auf den Kreuzzug, für den sie im Herzog von Anjou bereits einen Anführer gefunden hat. Aus einer Handschrift geht hervor, dass der Schreiber dieses Briefes, den Caterina diktierte, Stefano Maconi war.

Gift gibt es auch in Avignon

Brief 239 (Anfang September 1376). Nachdem die Frage der Rückreise des Papstes durch Caterinas Einfluss bereits feste Konturen angenommen hat, kommt ein letzter, massiver Versuch, ihn davon abzuhalten: der Papst erhält einen Brief von einer unbekannten „heiligmäßigen Person“, in dem er vor einem angeblichen Giftanschlag in Rom gewarnt wird. Gregor ist verunsichert und schickt das Schreiben zur Begutachtung an Caterina. Ihre Antwort im vorliegenden Brief ist großartig: Der Schreiber ist kein Heiliger, sondern ein Stümper aus der näheren Umgebung des Papstes.

 

1 Brief nach Corneto (Ende 1376 – Anfang 1377)

Mit der Angel der Liebe

Brief 252 (zwischen 15. Dezember 1376 – 13. Januar 1377). Am 13. September hatte Gregor Avignon für immer verlassen. Während Caterina und ihre Gruppe auf einer eigenen Route – meist zu Lande – die Heimreise antritt, segelt der Papst am 2. Oktober von Marseille ab. Nach stürmischer Fahrt entmutigt und von den Kardinälen zur Umkehr gedrängt, wird er bei seiner Zwischenlandung in Genua von der dort wartenden Caterina erneut aufgerichtet. (Vgl. Caffarini, Supplementum II, 1, 1, und ebenso Gebet 3, das mit diesem Ereignis datiert ist: „Du, o unbegreifliche Liebe, sendest Deinen Stellvertreter, um die toten Kinder zurückzukaufen. Tot sind sie, weil sie der heiligen Mutter Kirche, Deiner einzigen Braut, den Gehorsam aufgekündigt haben. Du sendest ihn unter Bedrängnis und Gefahren, wie Du Deinen Sohn, unseren Erlöser gesandt hast ... Vom Feind getäuscht, behindern sie Deinen Willen und die Frucht ihres Heils und halten Deinen Stellvertreter auf Erden von Deinem heilbringenden Auftrag ab ...“) Caterina, inzwischen in Siena angekommen, schickte ihm diesen Brief nach Corneto (heute: Tarquinia), wo der Papst bekümmert und voll Sorge im Hafen vor Anker lag (vom 5. Dezember 1376 bis 13. Januar 1377), ehe er schließlich am 17. Jänner in Rom feierlich einziehen konnte.

 

3 Briefe nach Rom (Januar 1377 – April 1377)

Setzt gute Hirten ein!

Brief 285 (Ende Januar 1377). Gesandte aus Siena kommen zum Papst, um ihn zu begrüssen und ihn um Vergebung zu bitten für ihren Beitritt zur antipäpstlichen Liga. Darauf bezieht sich Caterina in diesem Brief. Es wird berichtet, dass der Papst die Gesandtschaft gütig aufnahm, „aus Respekt für Caterina, deren freundlicher Brief ihm überbracht wurde“ (Seckendorf, aaO.138, Anm. 43). Der Überbringer dieses Empfehlungsbriefes für die Gesandten war der Jesuate Tommaso di Guelfaccio.

Das Blut Christi ist der Schatz der Kirche

Brief 209 (Ende Januar – Anfang Februar 1377). Am 3. Februar wurden von den päpstlichen Truppen unter der Führung des Kardinals Robert von Genf (des späteren Gegenpapstes Cle­mens VII.) mehr als viertausend Bewohner von Cesena – im Namen der politischen Festigkeit – ermordet. Auf diesen Skandal spielt Caterina hier vielleicht an mit den Worten: „O weh! Anscheinend will Gott kein derartiges Bemühen um Herrschaft und weltlichen Besitz, da wir dabei die Folgen dieses Krieges – die Zerstörung an den Seelen und das Missfallen Gottes – gar nicht mehr sehen.“ Caterina legt hier ihre Sicht dar bezüglich Berechtigung und Grenzen einer weltlichen Herrschaft des Papsttums. Die zu große Sorge um die weltliche Macht der Kirche ist ein Hindernis für ihre eigentlichen geistlichen Aufgaben und ihre Erneuerung.

Zwischen den Dornen verbirgt sich die Rose

Brief 270 (16. April 1377). Dieser letzte Brief an Papst Gregor ist genau datiert: Er wurde von Caterina diktiert am 16. April 1377 aus Belcaro, ihrem neuen Kloster Santa Maria degli Angeli, wo Raimund von Capua und Giovanni Tantucci bei ihr waren. Als Briefkurier diente ihr ein gewisser Anibaldo. Der Brief wiederholt viele bereits besprochene Themen und lässt zugleich ihre Sehnsucht durchblicken, selber nach Rom zu kommen.

 

Ein letzter (indirekter) Brief an Papst Gregor XI. (Oktober 1377)

Brief 267 (An Raimund von Capua). Im Spätsommer und Herbst des Jahres 1377 ist Caterina auf „Missionsreise“ im Val d‘ Orcia-Gebiet. Ihr Aufenthalt auf den Burgen der Salimbeni wird von Siena mit Argwohn betrachtet. Handelt sie zu selbständig im Bemühen um einen Frieden zwischen der Liga und dem Papst? Raimund, der nach Rom beordert wird, soll jedenfalls den Papst darüber aufklären. In Caterinas Schreiben an Raimund (Brief 267) vom Oktober 1377 ist ein indirekter Brief an den Papst mit eingebaut, in dem sie ihn um Vergebung bittet und zugleich auffordert, sich weiterhin für den Frieden einzusetzen.

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